AT-OeStA/HHStA Reichsarchive Reichsarchive, 14. Jh. (ca.)-19. Jh. (ca.) (Bestandsgruppe)

Archivplan-Kontext


Angaben zur Identifikation

Signatur:AT-OeStA/HHStA Reichsarchive
Titel:Reichsarchive
Entstehungszeitraum:ca. 14. Jh. - ca. 19. Jh.
Stufe:Bestandsgruppe

Angaben zum Umfang

Anzahl:22234

Angaben zum Kontext

Verwaltungsgeschichte:Ein zentrales und funktionstüchtiges „Reichsarchiv“ hat sich für das Heilige Römische Reich trotz entsprechender vor allem ständischer Forderungen, namentlich im Jahre 1495 , nie wirklich konstituiert; noch am ehesten begann sich ein solches, freilich nur als Teil eines geplanten Gesamtarchivs des Erzhauses, seit 1506 unter Maximilian I. in Innsbruck zu bilden. Die schließlich in Wien am Sitz des Reichshofrates und der Reichshofkanzlei erwachsenden archivwürdigen Registraturen wurden ebenso als „Reichsarchiv“ (Archiv der Reichshofkanzlei) bezeichnet wie das in der Mainzer Kanzlei anfallende Schriftgut. Als „Reichsarchiv“ im engeren Sinne wurde freilich auch die in der Reichskanzlei verwahrte Sammlung der wichtigsten Reichsurkunden bezeichnet.
Nicht nur in Innsbruck und Wien, sondern auch in Prag entstand eine „Reichsarchivfiliale“, als Kaiser Rudolf II. seine Residenz 1583 dauernd in die böhmische Hauptstadt verlegte. Die Akten verblieben auch nach Rückführung des Kaiserhofes nach Wien 1612 großteils im Reichskanzleihaus zu Prag, wurden aber für die Erledigung von Geschäften immer wieder benützt. Erst 1771-1773 übersiedelte man das nur ungenügend betreute Prager „Reichsarchiv“ nach längeren Vorverhandlungen nach Wien. Die politischen Akten (lateinischer Expedition) sowie die Gratialia und Feudalia wurden in die verschiedenen Abteilungen des Wiener „Reichsarchivs“ eingeteilt, die aus Prag angebrachten Prozeßakten dagegen blieben unbearbeitet und bildeten weiterhin einen selbständigen Archivkörper („Alte Prager Akten“).
Das Wiener „Reichsarchiv“ stand unter der Obsorge der Reichskanzleiregistratoren, sein Schicksal war trotz der allgemein anerkannten Wichtigkeit der Bestände nichts weniger als erfreulich. Spätestens während der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts hat sich ein allgemeines Strukturprinzip Bahn gebrochen, das den Aufbau der Bestandsgroßgruppe teilweise bis heute prägt: die Judizialregistratur wurde mit der Feudal- und Gratialregistratur zusammengeführt und von den politischen Akten (registratura actorum publicorum deutscher und lateinischer Expedition), die nunmehr unmittelbar der Aufsicht der Reichsreferendare deutscher und lateinischer Expedition unterstanden, getrennt.
Gerade der Zustand der politischen Akten schien besonders kritisch. Repertorien und Indices bestanden für diesen Teil des Reichsarchivs traditionell nicht. Unterbringung und Erhaltungszustand der Archivalien waren sichtlich ebenso schlecht wie der Ordnungszustand. Zur 1764 geplanten Bestellung eines eigenen Reichsarchivars (für die politische Registratur) ist es jedoch nicht gekommen. Die Betreuung der politischen Akten der Reichshofkanzlei verblieb den Konzipisten der beiden Expeditionen unter Aufsicht der Referendare. Kanzlisten der Reichshofkanzlei mühten sich ab 1764 redlich, die älteren politischen Akten des Reichsarchivs in eine leidliche Ordnung zu bringen (Instruktion vom 16. Juli 1764). Die Ordnungs- und Verzeichnungsarbeit an den recht willkürlich geordneten Judicialia des Reichshofrats wurde dagegen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch den Registrator der deutschen Expedition Nikolaus (von) Wolf energisch in Angriff genommen.
Der Verlust der Kaiserkrone 1740-45 bewirkte wohl umständliche Verhandlungen über die Auslieferung des „Reichsarchivs“, das man österreichischerseits als „archivum imperatoris“ und nicht als „archivum imperii“ verstanden wissen wollte, zur Umsetzung kam es aber nicht mehr. Beträchtliche Verluste erlitt das Wiener „Reichsarchiv“ ab 1755 immerhin durch Abtretungen an das im Aufbau befindliche habsburgische Hausarchiv;
vor allem betrafen diese Auslieferungen Akten der österreichischen Abteilung der Reichskanzlei aus der Zeit vor 1620. Österreich betreffende Akten erhielt das Hausarchiv in beträchtlicher Zahl auch aus den Anfang der 1770er Jahre von Prag nach Wien übersiedelten Archivbeständen.
Archivierungsgeschichte:Der verwaiste Aktennachlaß von Reichshofrat und Reichskanzlei wurde nach Erlöschen des Heiligen Römischen Reichs 1806 zunächst in zwei Teilen verwaltet. Ein Teil, namentlich die „politischen Akten“ der Reichskanzlei (Registratura actorum publicorum) und das von der Reichskanzlei verwahrte „Reichsarchiv“ (also die Urkundensammlung der Reichskanzlei, d.h. die Sammlung von Reichsabschieden, Reichsfriedensschlüssen usw.), kam in das Hausarchiv, wohin bereits seit den 1750er Jahren andere Reichsarchivalien gelangt waren . Der andere, die Judizial- und Gratialregistratur des Reichshofrates umfassende Teil wurde der Obhut einer eigenen „reichshofrätlichen Aktenkommission“ (1807-1840) anvertraut. 1809 wurden die Reichsarchive von den Franzosen nach Paris verschleppt, von wo sie — teilweise in Unordnung geraten — 1815-16 wieder nach Wien zurückgelangten. Hier begann für sie ein Nomadisieren durch verschiedene Notquartiere, das erst mit der Besiedelung des neuen Hauses am Minoritenplatz 1902 ein Ende hatte.
Das zuerst in Mainz verwahrte, dann nach Aschaffenburg verbrachte und schließlich in Sachsenhausen zwischengelagerte Mainzer Erzkanzlerarchiv sowie die Reichskammergerichtsakten aus Wetzlar (daher auch: „Wetzlarer Akten“) kamen erst 1852 nach Wien.

Angaben zu Inhalt und Struktur

Inhalt:Die Gruppe der sogenannten „Reichsarchive“ des Haus-, Hof- und Staatsarchivs umfaßt:

1. das aus der Geschäftstätigkeit der obersten Reichsbehörden in Wien — Reichshofrat und Reichskanzlei — hervorgegangene Schriftgut. Jede scharfe Trennung von Reichshofrats- und Reichskanzleiakten in zwei Bestandsgruppen ist insoferne problematisch, als die Reichskanzlei Expeditions- und Kanzleibehörde nicht nur für den eigenen Bereich, sondern auch für den Reichshofrat war, der über kein untergeordnetes Kanzleipersonal verfügte. Auch war die Kompetenzabgrenzung namentlich in Gnadensachen durchaus unscharf. Für die heutige Struktur war die Teilung der Verwaltungskompetenzen für das Reichsschriftgut im Jahre 1806 ausschlaggebend.
2. das zweite „Reichsarchiv“, das bei den Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler erwachsene „Mainzer Erzkanzlerarchiv“. Auch das bei den Wiener Reichsbehörden anfallende Schrift- und Archivgut unterstand übrigens in letzter Instanz der Aufsicht des Mainzer Erzkanzlers.
3. Aus den ab 1845 auf verschiedene deutsche Archive verteilten Akten („trennbarer Bestand“) des Reichskammergerichtes, des zweiten Reichshöchstgerichtes, erhielt das Staatsarchiv schließlich noch die „österreichische“ Kläger bzw. Beklagte betreffenden Prozeßakten ausgefolgt
Die „Reichsarchive“ bieten archivalisches Material zu vielen Fragestellungen, besonders natürlich zur politischen, Diplomatie- und Institutionengeschichte des Reiches, zu einzelnen Reichskreisen sowie zur Geschichte der meisten Reichsstände. Die Prozeß-, Lehens- und des Reichshofrates sind für die deutsche (und auch italienische) Landesgeschichte, aber auch für personenbezogene Forschungen eine Quelle ersten Ranges. Die umfangreiche Gruppe der „Reichsarchive“ erhielt mit dem Aufschwung der Reichsgeschichte als Disziplin sui generis nach 1945 einen besonderen Stellenwert und macht heute einen wesentlichen Teil des internationalen Ranges des Hauses aus.
Ordnung und Klassifikation:1. Reichshofrat. — 2. Reichshofkanzlei. — 3. Reichshofrat—Reichshofkanzlei Verfassungsakten. — 4. Reichskammergericht („Wetzlarer Akten“). — 5. Mainzer Erzkanzlerarchiv.

Angaben zur Benutzung

Findhilfsmittel:Gesamtinventar Bd. 1, S. 12* (Gesamtarchivpläne Maximilians I.), S. 273-394, Bd. 3, S. 97-101 („Reichsurkunden“). — Archivbehelfe der Gruppen I, II, III.

Angaben zu verwandtem Material

Verwandtes Material:Staatskanzlei. Staatenabteilungen. Allgemeine Urkundenreihe. Handschriftensammlung geschlossene Gruppe Böhm 577-653 und passim. (vgl. zu den Handschriften aus den Reichsarchiven, die teilweise auch über die Hofbibliothek ins Archiv gelangten, siehe ausführlich Gesamtinventar Bd. 3, S. 171-174).
Österreichisches Staatsarchiv—Hofkammerarchiv: Reichsakten, Instruktionen (Reichspfennigmeisteramt), Reichsgedenkbücher, Österreichisches Camerale (Reichshofrat und Reichskanzlei). Österreichisches Staatsarchiv—Allgemeines Verwaltungsarchiv (Hofkanzlei II B 4 Karton 246-262).
Aus den Amtsobliegenheiten der Reichserbmarschälle (Grafen von Pappenheim) hervorgegangenes Schriftgut (betreffend vor allem Introduktion, Legitimation und Einquartierung der Gesandten am Immerwährenden Reichstag zu Regensburg) findet sich im Hausarchiv der Familie Pappenheim (jetzt: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg), ein Teil ist heute in den Reichstagsakten der Reichshofkanzlei zu suchen. Reichspapiere aus dem Umkreis Karls V.“ (W. Klötzer) sind auch im Archivo General de Simancas zu suchen.
Veröffentlichungen:Armin Tille, Zum Versuch, unter Maximilian I. ein Reichsarchiv zu schaffen. In: MIÖG 22 (1901) 296-298. —Hans Kaiser, Die Archive des alten Reichs bis 1806. In: Archivalische Zeitschrift 35 (1925) 204-220. — Gesamtinventar Bd. 1, S. 275-283. — Lothar Groß, Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806 (= Inventare österreichischer staatlicher Archive V/Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1; Wien 1933), S. 281-306 (Archiv der Reichshofkanzlei) (Digitalisat: https://library.hungaricana.hu/en/view/Inventare_05-01/?pg=0&layout=s). — W. Klötzer, Reichsarchiv. In: HRG Bd. 4, Sp. 538-543.
 

Verwandte Verzeichnungseinheiten

Verwandte Verzeichnungseinheiten:keine
 

Benutzung

Schutzfristende:31.12.1930
Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL:https://archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=17
 

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